Das Feuer, das Amerika veränderte
Tod in den Flammen: Am 25. März 1911 wütet in New York ein verheerendes Feuer-Inferno in einer Textilfabrik. 146 Arbeiter sterben, weil die Eigentümer aus Profitgier den Brandschutz missachteten. Es ist eine Tragödie - die am Ende aber unzähligen Menschen das Leben rettet. Von Thomas Escher
Das Klirren berstender Fensterscheiben durchbricht das nachmittägliche Stadtidyll in Downtown Manhattan. Schwarz-graue Rauchschwaden durchziehen sekundenschnell die Straßen im Stadtteil Greenwich Village. Das verzweifelte Kreischen von Frauen in Todesangst lässt vorbeikommende Passanten erstarren. Nur James Meehan schaltet sofort. Der berittene Polizist gibt seinem Pferd die Sporen und galoppiert auf das brennende Backsteinhaus zu. Ohne zu zögern, springt Meehan aus dem Sattel und verschwindet im Eingang des rauchgetränkten Gebäudes.
Es ist 16:40 Uhr als am 25. März 1911 das bis dato tragischste Feuer-Inferno der amerikanischen Industriegeschichte ausbricht. Nur fünf Minuten trennen die rund 600 Näherinnen der Triangle Shirtwaist Company, einer Blusenmanufaktur im Garment District Manhattans, vom offiziellen Produktionsschluss am Samstag. Für die jungen Näherinnen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren geht eine lange und anstrengende Sechs-Tage-Woche zu Ende. Durchschnittlich 72 Stunden pro Woche schuften die Schneiderinnen, größtenteils Immigrantinnen aus Russland, Italien und Deutschland, für den damals größten Blusenproduzenten Amerikas. Der karge Wochenlohn: Sieben Dollar.
Trotz der schlechten Arbeitsbedingungen ist die Blusenmanufaktur für viele weibliche Neuankömmlinge aus Übersee die einzige Möglichkeit, schnell in Lohn und Brot zu kommen. Die Firmenbosse Max Blanck und Isaac Harris, selbst europäische Einwanderer, sind sich dieser Tatsache nur allzu bewusst. Mit eiserner Hand führen sie ihren Produktionsbetrieb. Wer aus der Reihe tanzt, findet sich kurzerhand auf der Straße wieder.
Die tödliche Zigarettenkippe
Zum Zeitpunkt des Unglücks erstreckt sich der Produktionsbetrieb der Triangle Shirtwaist Company auf die drei obersten Stockwerke des zehnstöckigen "Asch"-Gebäudes. Der 1901 fertiggestellte Backsteinbau entspricht baulich den Standards damaliger Feuerschutzbestimmungen. Allerdings sind in den Industrie-Lofts der Blusenmanufaktur keine Sprinkleranlagen montiert. Getrieben von purer Gier halten es die Besitzer Blanck und Harris außerdem nicht für notwendig, ihre 600-köpfige Crew mit gelegentlichen Feuerübungen auf einen etwaigen Ernstfall vorzubereiten, obwohl der Produktionsbetrieb bereits in der Vergangenheit immer wieder von kleineren Bränden heimgesucht wurde.
Warum das Feuer an diesem Samstagnachmittag im März 1911 ausbricht, wird sich später nicht mehr gänzlich rekonstruieren lassen. Am wahrscheinlichsten scheint den ermittelnden US-Behörden eine unachtsam weggeschnippte Zigarettenkippe als Brandursache: eine fatale Unachtsamkeit in einer Produktionsstätte, die nicht selten knöchelhoch mit leicht entflammbaren Stoffresten übersät ist. So auch an diesem Tag, der für 146 Arbeiterinnen und Arbeiter mit dem Tod enden soll.
Das Inferno beginnt im Südost-Flügel des achten Stockwerks. Blitzschnell fressen sich die Flammen durch die größtenteils hölzerne Einrichtung. Binnen weniger Sekunden stehen Tausende bereits produzierter Baumwoll-Blusen auf den Werktischen der Näherinnen in Flammen. Panik bricht aus. Die Schneiderinnen versuchen über ein noch zugängliches Treppenhaus, das Gebäude zu verlassen. Ein Buchhalter unterrichtet noch die Kollegen im zehnten Stock per Telefon über das Feuer. Über eine Luke fliehen die dort untergebrachten Arbeiterinnen auf das Gebäudedach, wo sie später von Hilfskräften gerettet werden. Aufgrund einer fehlenden Telefonverbindung zum neunten Stockwerk bleibt eine rettende Warnung für die dort immer noch produzierenden Arbeiterinnen aus.
Rettung per Aufzug
James Meehan kann nichts sehen. Als der Polizist im achten Stock des Produktionsgebäudes ankommt, macht pechschwarzer Qualm eine Orientierung nahezu unmöglich. Meehan ringt nach Luft. Die übermannshohen Flammen saugen den Sauerstoff aus jeder Ritze des Raumes. Die Hitze ist unerträglich. Leblose Frauenkörper versperren den Zugang zum rettenden Aufzug. Manche von ihnen bereits bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Im Treppenhaus trampeln sich die fliehenden Arbeiterinnen gegenseitig zu Tode.
Gemeinsam mit dem Liftboy Joseph Zito, einem Angestellten der Triangle Shirtwaist Company, gelingt es Meehan, einen der beiden Personenaufzüge wieder in Gang zu bringen. Mehr als fünfmal pendeln die beiden Männer mit dem letzten verbleibenden Aufzug zwischen dem achten Stock und der Lobby des Gebäudes. So lange, bis die Mechanik des Aufzugs aufgrund der immer stärker werdenden Hitze des Feuers versagt. Mehr als 130 Arbeiterinnen retteten die beiden Männer in ihrer selbstlosen Aktion aus der Feuerhölle.
Erst als die Flammen durch den Fußboden schlagen, bemerken die jungen Näherinnen im neunten Stockwerk ihre aussichtslose Lage. Zu diesem Zeitpunkt ist das rettende Treppenhaus im Südost-Flügel des Gebäudes bereits aufgrund der drastischen Rauchentwicklung nicht mehr passierbar. Die Tür zu einem zweiten, rettenden Treppenhaus auf der gegenüberliegenden Seite ist von außen verschlossen. Wie sich später herausstellen wird eine Maßnahme der Eigentümer, um Diebstahl vorzubeugen. Ein makaberes Detail der Tragödie, mit dem sich die Staatsanwaltschaft im Nachgang intensiv auseinandersetzt. Nachdem keines der beiden Treppenhäuser mehr als Fluchtweg zur Verfügung steht, bleibt den jungen Frauen noch eine letzte Chance: Eine schmale Feuerleiter, die an der Außenfassade des Gebäudes angebracht ist. Doch schon nach kurzer Zeit bricht das marode Stahlgestell unter der Last der Flüchtenden zusammen und reißt 24 Arbeiterinnen mit sich in die Tiefe.
Sprung in den Tod
Als das erste Feuerwehrauto die Unglücksstelle erreicht, haben die Flammen bereits alle drei Stockwerke ergriffen. Für die Frauen im neunten Stockwerk sind die heraneilenden Rettungskräfte die letzte Hoffnung, dem Inferno doch noch lebend zu entkommen. In Windeseile bringen die "Firefighters" ihre Ausrüstung in Position. Und dann werden die umherstehenden Passanten zu Augenzeugen des Unfassbaren: Die Drehleitern reichen lediglich bis zum sechsten Stockwerk. Obwohl seit der Jahrhundertwende in Manhattan mehr als 800 Neubauten errichtet wurden, die über den sechsten Stock hinausragen, haben die zuständigen Dienststellen ihre Ausrüstungen nicht entsprechend angepasst.
Die Aussichtslosigkeit im neunten Stockwerk der Blusenmanufaktur erreicht mit diesem letzten, vergeblichen Rettungsversuch ihren tragischen Höhepunkt. Hilflos und mit dem sicheren Tod konfrontiert, entscheiden sich viele der jungen Arbeiterinnen für den Sprung in die Tiefe. Viele der Springenden halten sich an den Händen, springen zu Zweit, zu Dritt in die Tiefe. Paralysiert von ihrer Machtlosigkeit versuchen die angerückten Feuerwehrmänner, die herunterfallenden Körper mit Netzen vor dem Aufprall zu bewahren. Erfolglos. Auch die Standards damaliger Sprungnetze sind nicht auf Rettungsaktionen über den sechsten Stock hinaus ausgelegt. Keiner der Springenden überlebt. Rund 18 Minuten nach Ausbruch des Feuers haben die Flammen alle drei Stockwerke gänzlich zerstört.
Geburtsstunde der Arbeitnehmerbewegung
Im April 1911, nachdem bekannt wird, dass die Fluchtwege im neunten Stock des Gebäudes von den Eigentümern vorsätzlich verschlossen wurde leitet die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Totschlags gegen die Unternehmenseigner Max Blanck und Isaac Harris ein. Aufgrund ihrer guten Verbindungen in die Stadtpolitik werden die beiden Inhaber am 27. Dezember 1911 von diesen Vorwürfen freigesprochen. Ein darauffolgender Zivilrechtsprozess, initiiert von 23 Familien der Flammenopfer, verurteilt Blanck und Harris 1913 zu Ausgleichszahlungen von 75 Dollar pro Opfer. Grade mal einem Fünftel dessen, was die beiden Geschäftsmänner aus ihrem Versicherungsfond an Personenschäden kassiert hatten.
Schon in den Tagen nach dem Unglück werden einmal mehr Rufe nach einer verbesserten Arbeitssicherheit laut. Zwar gibt es in New York bereits seit 1900 den gewerkschaftlichen Zusammenschluss der International Ladies' Garment Workers' Union, kurz ILGWU, allerdings hat der lose Zusammenschluss der Arbeiterinnen keinen nennenswerten Einfluss auf die Mitsprache in den Produktionsbetrieben. Das sollte sich in den kommenden Jahren fundamental ändern.
Am 30. Juni 1911, nur drei Monate nach dem verheerenden Feuer in Downtown Manhattan, unterzeichnete der damalige Gouverneur John Alden Dix ein Gesetz, das die Gründung der staatlichen Feuerschutzkommission initiierte. Die spätere Arbeitsministerin Frances Perkins übernahm den Gründungsvorsitz der Kommission und kämpfte in den Folgejahren vehement für die Integration und Umsetzung von Arbeitnehmerrechten. Die Anstrengungen Perkins' fanden schließlich 1938 im "Fair Labor Standards Act" ihren krönenden Abschluss. Das unter Präsident Franklin D. Roosevelt verabschiedete Gesetz regelt seither landesweit die Arbeitnehmerrechte in Amerika.
Frances Perkins, Arbeitsministerin von 1933 bis 1945, gehörte zu den Augenzeugen des Feuerinfernos an diesem Samstagnachmittag im März 1911. In einem Interview, Jahre nach ihrem Ausscheiden aus der aktiven Politik, verriet Perkins einem neugierigen Reporter den Ursprung für ihren unermüdlichen Kampf um verbesserte Arbeitnehmerrechte in Amerika: "Die Tragödie, die ich damals mit ansehen musste, ist für immer in meine Seele gebrannt. Diese Bilder erinnern mich jeden Tag daran, warum ich mein Leben dem Kampf gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen gewidmet habe."
Es ist 16:40 Uhr als am 25. März 1911 das bis dato tragischste Feuer-Inferno der amerikanischen Industriegeschichte ausbricht. Nur fünf Minuten trennen die rund 600 Näherinnen der Triangle Shirtwaist Company, einer Blusenmanufaktur im Garment District Manhattans, vom offiziellen Produktionsschluss am Samstag. Für die jungen Näherinnen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren geht eine lange und anstrengende Sechs-Tage-Woche zu Ende. Durchschnittlich 72 Stunden pro Woche schuften die Schneiderinnen, größtenteils Immigrantinnen aus Russland, Italien und Deutschland, für den damals größten Blusenproduzenten Amerikas. Der karge Wochenlohn: Sieben Dollar.
Trotz der schlechten Arbeitsbedingungen ist die Blusenmanufaktur für viele weibliche Neuankömmlinge aus Übersee die einzige Möglichkeit, schnell in Lohn und Brot zu kommen. Die Firmenbosse Max Blanck und Isaac Harris, selbst europäische Einwanderer, sind sich dieser Tatsache nur allzu bewusst. Mit eiserner Hand führen sie ihren Produktionsbetrieb. Wer aus der Reihe tanzt, findet sich kurzerhand auf der Straße wieder.
Die tödliche Zigarettenkippe
Zum Zeitpunkt des Unglücks erstreckt sich der Produktionsbetrieb der Triangle Shirtwaist Company auf die drei obersten Stockwerke des zehnstöckigen "Asch"-Gebäudes. Der 1901 fertiggestellte Backsteinbau entspricht baulich den Standards damaliger Feuerschutzbestimmungen. Allerdings sind in den Industrie-Lofts der Blusenmanufaktur keine Sprinkleranlagen montiert. Getrieben von purer Gier halten es die Besitzer Blanck und Harris außerdem nicht für notwendig, ihre 600-köpfige Crew mit gelegentlichen Feuerübungen auf einen etwaigen Ernstfall vorzubereiten, obwohl der Produktionsbetrieb bereits in der Vergangenheit immer wieder von kleineren Bränden heimgesucht wurde.
Warum das Feuer an diesem Samstagnachmittag im März 1911 ausbricht, wird sich später nicht mehr gänzlich rekonstruieren lassen. Am wahrscheinlichsten scheint den ermittelnden US-Behörden eine unachtsam weggeschnippte Zigarettenkippe als Brandursache: eine fatale Unachtsamkeit in einer Produktionsstätte, die nicht selten knöchelhoch mit leicht entflammbaren Stoffresten übersät ist. So auch an diesem Tag, der für 146 Arbeiterinnen und Arbeiter mit dem Tod enden soll.
Das Inferno beginnt im Südost-Flügel des achten Stockwerks. Blitzschnell fressen sich die Flammen durch die größtenteils hölzerne Einrichtung. Binnen weniger Sekunden stehen Tausende bereits produzierter Baumwoll-Blusen auf den Werktischen der Näherinnen in Flammen. Panik bricht aus. Die Schneiderinnen versuchen über ein noch zugängliches Treppenhaus, das Gebäude zu verlassen. Ein Buchhalter unterrichtet noch die Kollegen im zehnten Stock per Telefon über das Feuer. Über eine Luke fliehen die dort untergebrachten Arbeiterinnen auf das Gebäudedach, wo sie später von Hilfskräften gerettet werden. Aufgrund einer fehlenden Telefonverbindung zum neunten Stockwerk bleibt eine rettende Warnung für die dort immer noch produzierenden Arbeiterinnen aus.
Rettung per Aufzug
James Meehan kann nichts sehen. Als der Polizist im achten Stock des Produktionsgebäudes ankommt, macht pechschwarzer Qualm eine Orientierung nahezu unmöglich. Meehan ringt nach Luft. Die übermannshohen Flammen saugen den Sauerstoff aus jeder Ritze des Raumes. Die Hitze ist unerträglich. Leblose Frauenkörper versperren den Zugang zum rettenden Aufzug. Manche von ihnen bereits bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Im Treppenhaus trampeln sich die fliehenden Arbeiterinnen gegenseitig zu Tode.
Gemeinsam mit dem Liftboy Joseph Zito, einem Angestellten der Triangle Shirtwaist Company, gelingt es Meehan, einen der beiden Personenaufzüge wieder in Gang zu bringen. Mehr als fünfmal pendeln die beiden Männer mit dem letzten verbleibenden Aufzug zwischen dem achten Stock und der Lobby des Gebäudes. So lange, bis die Mechanik des Aufzugs aufgrund der immer stärker werdenden Hitze des Feuers versagt. Mehr als 130 Arbeiterinnen retteten die beiden Männer in ihrer selbstlosen Aktion aus der Feuerhölle.
Erst als die Flammen durch den Fußboden schlagen, bemerken die jungen Näherinnen im neunten Stockwerk ihre aussichtslose Lage. Zu diesem Zeitpunkt ist das rettende Treppenhaus im Südost-Flügel des Gebäudes bereits aufgrund der drastischen Rauchentwicklung nicht mehr passierbar. Die Tür zu einem zweiten, rettenden Treppenhaus auf der gegenüberliegenden Seite ist von außen verschlossen. Wie sich später herausstellen wird eine Maßnahme der Eigentümer, um Diebstahl vorzubeugen. Ein makaberes Detail der Tragödie, mit dem sich die Staatsanwaltschaft im Nachgang intensiv auseinandersetzt. Nachdem keines der beiden Treppenhäuser mehr als Fluchtweg zur Verfügung steht, bleibt den jungen Frauen noch eine letzte Chance: Eine schmale Feuerleiter, die an der Außenfassade des Gebäudes angebracht ist. Doch schon nach kurzer Zeit bricht das marode Stahlgestell unter der Last der Flüchtenden zusammen und reißt 24 Arbeiterinnen mit sich in die Tiefe.
Sprung in den Tod
Als das erste Feuerwehrauto die Unglücksstelle erreicht, haben die Flammen bereits alle drei Stockwerke ergriffen. Für die Frauen im neunten Stockwerk sind die heraneilenden Rettungskräfte die letzte Hoffnung, dem Inferno doch noch lebend zu entkommen. In Windeseile bringen die "Firefighters" ihre Ausrüstung in Position. Und dann werden die umherstehenden Passanten zu Augenzeugen des Unfassbaren: Die Drehleitern reichen lediglich bis zum sechsten Stockwerk. Obwohl seit der Jahrhundertwende in Manhattan mehr als 800 Neubauten errichtet wurden, die über den sechsten Stock hinausragen, haben die zuständigen Dienststellen ihre Ausrüstungen nicht entsprechend angepasst.
Die Aussichtslosigkeit im neunten Stockwerk der Blusenmanufaktur erreicht mit diesem letzten, vergeblichen Rettungsversuch ihren tragischen Höhepunkt. Hilflos und mit dem sicheren Tod konfrontiert, entscheiden sich viele der jungen Arbeiterinnen für den Sprung in die Tiefe. Viele der Springenden halten sich an den Händen, springen zu Zweit, zu Dritt in die Tiefe. Paralysiert von ihrer Machtlosigkeit versuchen die angerückten Feuerwehrmänner, die herunterfallenden Körper mit Netzen vor dem Aufprall zu bewahren. Erfolglos. Auch die Standards damaliger Sprungnetze sind nicht auf Rettungsaktionen über den sechsten Stock hinaus ausgelegt. Keiner der Springenden überlebt. Rund 18 Minuten nach Ausbruch des Feuers haben die Flammen alle drei Stockwerke gänzlich zerstört.
Geburtsstunde der Arbeitnehmerbewegung
Im April 1911, nachdem bekannt wird, dass die Fluchtwege im neunten Stock des Gebäudes von den Eigentümern vorsätzlich verschlossen wurde leitet die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Totschlags gegen die Unternehmenseigner Max Blanck und Isaac Harris ein. Aufgrund ihrer guten Verbindungen in die Stadtpolitik werden die beiden Inhaber am 27. Dezember 1911 von diesen Vorwürfen freigesprochen. Ein darauffolgender Zivilrechtsprozess, initiiert von 23 Familien der Flammenopfer, verurteilt Blanck und Harris 1913 zu Ausgleichszahlungen von 75 Dollar pro Opfer. Grade mal einem Fünftel dessen, was die beiden Geschäftsmänner aus ihrem Versicherungsfond an Personenschäden kassiert hatten.
Schon in den Tagen nach dem Unglück werden einmal mehr Rufe nach einer verbesserten Arbeitssicherheit laut. Zwar gibt es in New York bereits seit 1900 den gewerkschaftlichen Zusammenschluss der International Ladies' Garment Workers' Union, kurz ILGWU, allerdings hat der lose Zusammenschluss der Arbeiterinnen keinen nennenswerten Einfluss auf die Mitsprache in den Produktionsbetrieben. Das sollte sich in den kommenden Jahren fundamental ändern.
Am 30. Juni 1911, nur drei Monate nach dem verheerenden Feuer in Downtown Manhattan, unterzeichnete der damalige Gouverneur John Alden Dix ein Gesetz, das die Gründung der staatlichen Feuerschutzkommission initiierte. Die spätere Arbeitsministerin Frances Perkins übernahm den Gründungsvorsitz der Kommission und kämpfte in den Folgejahren vehement für die Integration und Umsetzung von Arbeitnehmerrechten. Die Anstrengungen Perkins' fanden schließlich 1938 im "Fair Labor Standards Act" ihren krönenden Abschluss. Das unter Präsident Franklin D. Roosevelt verabschiedete Gesetz regelt seither landesweit die Arbeitnehmerrechte in Amerika.
Frances Perkins, Arbeitsministerin von 1933 bis 1945, gehörte zu den Augenzeugen des Feuerinfernos an diesem Samstagnachmittag im März 1911. In einem Interview, Jahre nach ihrem Ausscheiden aus der aktiven Politik, verriet Perkins einem neugierigen Reporter den Ursprung für ihren unermüdlichen Kampf um verbesserte Arbeitnehmerrechte in Amerika: "Die Tragödie, die ich damals mit ansehen musste, ist für immer in meine Seele gebrannt. Diese Bilder erinnern mich jeden Tag daran, warum ich mein Leben dem Kampf gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen gewidmet habe."
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